Die Nacht vom 16.1.2018 auf den 17.01.2018
Mit einem Nachtbus geht’s um 19.00 Uhr von Lima aus in Richtung Huancavelica. Als wir in den Bus einsteigen fragen uns zwei Straßenverkäuferinnen was wir denn da wollen? Da regnet es nur und ist saukalt meinen die beiden. Das sind ja klasse Aussichten. Unser Nachtbus ist zweistöckig und unsere Plätze ganz vorne im Obergeschoss. Damit haben wir perfekte Sicht auf die uns bevorstehende Veränderung der Landschaft. Immerhin werden wir die nächsten 12 Stunden in diesem Nachtbus verbringen. Gleich zu Beginn der Fahrt fällt uns auf, dass wir die einzigen Touristen im Bus sind. Die sau schnellen Ansagen des Busbegleiters auf Spanisch verstehen wir nur bruchteilhaft. Über die perfekt ausgebaute Küstenstraße geht es für die ersten 5-6 Stunden in Richtung Süden, bis wir die Küste verlassen und über endlos lange Serpentinen immer weiter ins Hinterland vordringen. Die Straße wird zunehmend schlechter und irgendwann ist unser Bus ganz alleine auf der Straße. Als unser Bus um 3 Uhr eine ziemlich steile Schlammstraße hinabrutscht wird mir ein bisschen mulmig. Das ABS des Busses springt an und irgendwann und irgendwie hat der Bus wieder festen Halt auf der Straße. Mit einem Doppeldecker-Reisebus auf einer sehr schlechten Schotterstraße direkt am Abhang durch die Pampa zu fahren fühlt sich irgendwie falsch an. Anja bekommt von unser Rutschpartie garnichts mit. Sie pennt seelenruhig neben mir. Im blassen Scheinwerferlicht durch den Nebel fahren wir immer weiter die Serpentinen hinauf. Irgendwann scheinen wir das Höhenplateau erreicht zu haben und wir fahren eine schmale Schotterstraße immer geradeaus entlang. Anstatt eines Abhangs befindet sich nun ein Fluss neben uns. Gegen 5 Uhr geht die Sonne auf und man findet sich in einer komplett anderen Landschaft wieder. Es regnet, ist sehr kalt und die Berge in der Ferne sind nur noch mit Gras bewachsen. Bäume oder Zivilisation? Fehlanzeige. Irgendwann sehen wir dann vereinzelt ärmliche Hütten, bis wir um einen Berg fahren und die 40.000-Einwohnerstadt Huancavelica vor uns liegt.
Am Busbahnhof angekommen fahren wir mit einem Taxi zum Hostel und schlafen bis in den frühen Nachmittag. So wirklich gut kann man auch in einem Nachtbus nicht schlafen – besonders wenn man 3670 Höhenmeter hinter sich lässt 😉
17.01.2018 – Huancavelica Stadt
Wir schauen uns noch ein wenig in Huancavelica um und sind positiv überrascht. Obwohl es hier sehr kalt ist und regnet gefällt uns diese authentische Stadt. Wir begegnen keinen anderen Touristen und werden von den Einheimischen angestarrt, bzw die Frauen kichern direkt wenn sie uns sehen. Eine Frau auf dem Markt zeigt direkt auf Lukas und ruft ihren Freundinnen zu „hübscher Mann, hübscher Mann“ woraufhin alle natürlich direkt loskichern.
Nach dem Stadtrundgang erkundigen wir uns noch bei der Touristinfo nach Bussen in Richtung Ayacucho und lassen uns eine Tour zu den Quecksilberminen von Santa Barbara aufquatschen. Wir wollten dort eh hin, eigentlich auf eigene Faust und per Wanderung, allerdings müssen wir uns an die Höhe noch gewöhnen und das Wetter lädt nicht gerade zum Wandern ein 😉 Neben Alberto sitzen im Touristoffice auch noch zwei Polizistinnen, die direkt aufgeregt näher kommen. Mein Name ist mal wieder super interessant, in Lateinamerika kann niemand etwas mit „Anja“ anfangen. Generell sind in Huancavelica viele Polizistinnen und Müllsammlerinnen (in spektakulären Outfits) unterwegs. Somit ist die Stadt auch sehr sauber. Wir gönnen uns noch eine Pizza in einem Restaurant, dass mit einer Heizung wirbt und kuscheln uns schnell wieder unter die 5 Decken in unserm Hostelzimmer. Nach der Karibik sind wir dieses Wetter einfach nicht gewohnt 😀
18.01.2018 Quecksilber-Mine von Santa Barbara
Heute geht‘s früh los und wir jammern erstmal etwas rum, weil die viel zu schnell erlangte Höhe unsern Köpfen ein wenig Probleme bereitet. Die Lunge richtet ihr Volumen nur nach dem Kohlenstoffdioxidausstoß aus und merkt somit nicht, dass die Luft hier oben dünner ist. Gegen diese Sauerstoffunterversorgung hilft eigentlich nur sich zu geringeren Höhen zurück zu begeben – das machen wir morgen auch. Heute probieren wir erstmal die peruanische Medizin gegen Höhenkrankheit aus – den Kokatee. Er hilft auch tatsächilich etwas und mit ein paar warmen Brötchen von einer netten Peruanerin machen wir uns auf zur Touristinfo. Hier wartet auch schon Alberto, unser Guide für heute. Wir befürchten schon, dass wir viel wandern müssen, was wir unseren schwachen Körpern eigentlich nicht antun wollen. Um die nächste Ecke wartet allerdings schon ein Taxi auf uns. Der Fahrer Richard fährt uns weiter in die Berge, wo er uns und Alberto fleißig fotografiert. Wir sind mal wieder deutlich größer als die Peruaner und somit scheinbar sehr sehenswert 😉
Unser erster Stop ist das Örtchen Saccsamarca, welches nur aus Steinhäusern besteht. Das hübsche Örtchen ist wie leergefegt, die ganzen Bewohner (ca 200 Familien mit je 4 Personen) sind tagsüber auf den Feldern tätig. Laut Alberto werden hier viele Kartoffelsorten angebaut – in Huancavellica gibt es über 1000 verschiedene Sorten. Auch Mais gibt es hier in vielen Variationen, zB. auch schwarzen Mais. Zudem sind die Leute hier in Schafs-, Hühner-, Schweine-, Kuh-und Alpakazucht tätig. Letztere sieht man auch an allen Hängen weiden.
Der Ort verfügt sogar über Wasser und Elektrizitätsversorgung. Letztere wird in einem Wasserwerk in Huancavelica erzeugt. Ansonsten finden hier wohl recht berühmte Stierkämpfe statt, allerdings leider erst im Mai.
Für uns geht es wieder ins Taxi, vorbei an einem 5 Familien Dörflein Chaclatacana, welches schon kein Strom mehr hat und weiter zur stillgelegten Mine Santa Barbara. Die Mine wurde ca. 1500 von den Spaniern eröffnet und 1975 wieder geschlossen. Hier wurde jahrelang giftiges Quecksilber abgebaut, welches an anderen Orten beim Abbau von Gold und Silber genutzt wurde. Die Mine gilt als Geistermine und wird auch Mine der Toten genannt, da hier viele Menschen entweder bei schweren Unfällen ums Leben kamen, durch Terrorismus, welcher hier wohl auch sehr stark gewesen ist oder durch die Folgen der giftigen Gase. Alberto erzählt, dass in den letzten Betriebsjahren fast ausschließlich Sklaven welche von den Spaniern aus Afrika hergeschifft wurden in den Minen gearbeitet haben, da sich die Peruaner letztendlich geweigert haben weiter ihr Leben zu riskieren. Die Mütter haben ihren neugeborenen Söhnen aus lauter Not Arme oder Beine abgeschnitten, damit sie unfähig waren in der Mine zu arbeiten. Geschlossen wurde die Mine letztendlich weil sie nicht mehr rentabel genug war, wegen der Risiken und dem Terrorismus.
Wir dürfen die Mine natürlich nur von außen besichtigen, da hier noch gefährliche Gase austreten und man sieht Flüsse heraussickern, die laut Alberto zwar kontaminiert sind aber irgendwie dann doch nicht so schlimm. Kurz nach unserer Ankunft kommt der Aufseher der Mine hergelaufen, welcher kaum noch Zähne hat. Er begleitet uns ein Stück und will letztendlich Trinkgeld haben. Er fragt uns auch geradeheraus wieviel Geld wir bei unserer Reise dabeihaben.
Direkt neben der Mine liegt das kleine verfallene Dörfchen Santa Barbara. Hier haben die Minenarbeiter mit ihren Familien gewohnt – es gab sogar eine Schule und eine Kirche, die jetzt allerdings halb zerfallen sind weil hier ewig niemand mehr wohnt. Allein die Kirche ist noch gut erhalten. Sie wurde 2006 renoviert und als Kulturerbe deklariert. Sie wird einmal pro Jahr geöffnet und auch auf diesem Vorplatzt finden dann Stierkämpfe und ein riesiges Fest statt zu dem die Huavelicaner und sogar Leute von der Küste angereist kommen.
Auf der Rückfahrt greifen unsere Begleiter nochmal das Thema Geld auf und wollen wissen was man in Deutschland so verdient. Erstmal bekommen sie große Augen, vor allem weil Lehrer hier weniger verdienen als Taxifahrer (Lehrer verdienen ca 1200 Soles = 307€ und Taxifahrer und Touristenguides verdienen ca 1500-2000 Soles also 385 – 512€). Als wir jedoch anschließend erzählen wie viel die Lebenshaltungskosten, Busfahrten, Autos etc in Deutschland kosten, meinen sie wir sollten doch besser nach Peru ziehen. Wir erfahren auch noch, dass die Kinder hier 6 Jahre in die Grundschule und danach teilweise 5 Jahre ins College gehen. Hier lernen sie wohl auch Englisch und die indigene Sprache Quechua. Huancavelica ist wohl auch ein Quechua-Name, welcher übersetzt „Heiliger Stein“ bedeutet. Die Gründung der Stadt beruht auch auf der angrenzenden Mine. Sie hat der Region in früheren Zeiten sehr viel Reichtum beschert. Hier in der Nähe gibt es laut Alberto wohl auch noch eine Gold- und eine Bronzemine. Die Quecksilbermine von Santa Barbara soll nur viel bedeutender gewesen sein, auf dem gleichen Rang wie die Silbermine in Potosi (Bolivien), welche das Quecksilber von hier nutzte um das begehrte Silber vom Stein zu lösen.
Wir halten noch an einem Berg, von welchem aus man eine fantastische Aussicht über Huancavelica hat. Richard sprintet wieder voran um möglichst viele Fotos von uns zu bekommen 😀 Hier oben befinden sich auch die Telefonmasten, welche die Stadt mit Empfang versorgen. Außerdem sieht man zahlreiche Kirchen, die einfach überall in den Bergen erbaut wurden. Alberto erzählt uns auch noch, dass der gegnüberliegende Berg ein schlafender Vulkan ist und die Thermalquellen des Ortes speist. Diese sind nun langsam allerdings auf 16 Grad abgekühlt, laut Alberto durch den Klimawandel, was wir mal einfach so stehen lassen 😉 Vermutlich schläft der Vulkan einfach nur immer fester ein 😉
Kurz vor der Ankunft in Huancavelica überholen wir noch einen LKW auf dessen Ladefläche ca 20 Alpakas liegen und ihre Köpfe ausstrecken. Sieht echt knuffig aus, die beiden Peruaner machen sich allerdings nur drüber lustig, dass es die letzte Fahrt für die Alpakas sein wird. Ein sehr gutes Fleisch mit wenig Cholesterin sollen sie haben. Aha. Wo wir schonmal hier sind müssen wir Möchte-Gern-Vegetarier vielleicht auch noch einige der peruanischen Spezialitäten probieren. Mit vegetarisch ist hier halt nichts, Spezialitäten sind gegrilltes Kuhherz mit Kartoffeln und Reis, Alpaka, Meerschweinchen, Ceviche (roher Fisch mariniert in Limette) und natürlich Huhn Huhn Huhn 😉 Auf dem Markt lagen auch mal wieder komplett-ausgehöhlte tote Schweine, sehr interessant 😉
Ein Restaurant das mit einer Heizung wirbt… Na das ist ja mal minimalistisch 😀
Habt ihr die Müllsammlerinnen fotografiert? 🙂
In welchem Jahr wurde die Mine denn geschlossen? (Sklavenarbeit…?)